Baumanbindung neu gedacht
Jungbäume werden bei der Pflanzung angebunden, um ein Umkippen durch Wind oder Vandalismus zu verhindern. Meist wird dazu ein Dreibock verwendet, wobei der Baum unterhalb der Krone befestigt wird. Doch langsam findet bei der Umsetzung ein Umdenken statt…
Was in einigen nördlicheren Ländern bereits gang und gäbe ist, ist Ihnen vielleicht auch bei uns schon einmal aufgefallen: Man sieht vermehrt, dass Bäume deutlich tiefer angebunden werden als bisher (siehe Abbildung unten). Dies hat nicht nur den Vorteil, dass weniger Ressourcen benötigt werden (Bäume fällen, um Bäume zu pflanzen…), sondern kommt auch den Bäumen selbst zugute.
Baumanbindungen sollen Jungbäume durch das Stabilisieren des Wurzelballens beim Anwachsen unterstützen und ein Umkippen verhindern. In der Regel werden diese Anbindungen nach drei Jahren entfernt, sobald sich ein ausreichend stabiles Wurzelsystem entwickelt hat. Oft wird dies jedoch vergessen, und die Befestigungen wachsen ein. Zudem kann das nahezu vollständige Ruhigstellen des Stammes kontraproduktiv sein: Durch die konstante mechanische Reizung – etwa durch Windbewegung – reagiert das Wurzelsystem und strebt nach mehr Stabilität. Dieser biologische Mechanismus wird durch das schöne Wort Thigmomorphogenese beschrieben: die Beeinflussung des Pflanzenwachstums durch mechanische Reize. (BIENERT 2022)


Bei der herkömmlichen Befestigungsmethode wird dieser Reiz weitgehend unterdrückt, da der gesamte Stamm ruhiggestellt wird. Dies führt nicht nur zu einem verlangsamten Wurzelwachstum, sondern auch zu einem eingeschränkten Dickenwachstum des Stammes; der Baum investiert lieber in die Höhe als in die Stabilität, da er dies nicht für notwendig erachtet. (PATCH 2010)
Durch die tiefere Anbindungshöhe (etwa ein Drittel der bisherigen) wird der Effekt der Thigmomorphogenese bewusst genutzt, um das schnellere Anwachsen des Baumes zu fördern. So könnten diese Anbindungen bereits nach einer Vegetationsperiode entfernt werden (PATCH 2010). Dank des stärkeren Dickenwachstums sind die Bäume zudem rascher widerstandsfähig gegenüber äusseren Einwirkungen – auch gegenüber Vandalismus.
Dieser ist in der Anfangsphase auch der einzige grosse Nachteil an dieser Anbindungsmethode; der Stamm ist frei zugänglich und so deutlich einfacher zu beschädigen. Dies ist aber ein ganz anderes Thema und umso wichtiger ist es, dass wir alle lernen, Bäume als wertvollen Teil unserer Lebensräume zu achten und zu schützen.
BIENERT, U (2022): Wir pflanzen einen Baum 2.0. In: NEUE LANDSCHAFT 05/2022
PATCH, D. (2010): Tree staking. In: Arboriculture Research Note. Abgerufen am 27. 4. 2025 von: https://www.trees.org.uk/Trees.org.uk/files/a5/a57529ea-49b4-4686-99ab-965c1c0475eb.pdf